Work in Progress: Soulanimals Band 2 – Dark Horse

Für neugierige Leser gibt es hier schon mal den – noch unlektorierten – Prolog des zweiten Bandes aus der Reihe Soulanimals. Wie Buch 1 schon ist auch dieses in sich abgeschlossen und kann unabhängig von den anderen Bänden gelesen werden.

Klappentext:

Fotograf Kai wird seit einiger Zeit von schrecklichen Träumen geplagt. In ihnen sieht er Schlachtfelder. Stätten des Todes, bedeckt mit den Leichen der Krieger und den Kadavern von Pferden. Noch merkwürdiger ist jedoch, dass er nie allein diese Träume durchsteht, denn da ist diese Stimme, die ihm Worte zuflüstert. Worte in einer ihm fremden Sprache. Eine Botschaft. Und wenn Kai schweißgebadet aufwacht, umgibt ihn immer der Duft von weiten Grasebenen, lichten Wäldern und schnellfließenden Flüssen.

Eines Tages tritt eine Tierschutzgruppe an ihn heran und bittet ihn, eine ihrer Aktionen mit der Kamera zu begleiten und dokumentieren. Kai stimmt nach einigem Zögern zu. Doch was als vorgeblich harmloser Auftrag beginnt, entpuppt sich schnell als ein hochgefährliches Abenteuer! Dabei sind skrupellose Waffenschmuggler und Tierquäler noch die geringsten seiner Probleme. Denn inmitten von Tod und Elend begegnet er seinem Schicksal …

Cover:

Prolog:

Erschöpft hinkte er über das Schlachtfeld. Selten war der Begriff so zutreffend gewesen. Das hier … war jenseits seiner Vorstellungskraft. Wohl nicht einmal die Götter hätten sich das träumen lassen. Sein Blick irrte über die toten und in zuckender Agonie befindlichen Körper, die verstreut – wie makabre Schachfiguren – auf der hügeligen, einst mit Äckern und Wiesen bewachsenen Landschaft an der Somme, lagen. Menschen. Pferde. Maultiere. Zerfetzte Gliedmaßen, herausgerissene Eingeweide, Blutlachen, von Fliegen umschwärmt. Tiefe Krater im Boden bargen weitere Überreste, teils schon am Verwesen. Später, wenn die kriegsmüden Parteien dieses sinnlosen Krieges nach Atem geschöpft hatten, würde es unzählige namenlose Gräber geben.
Doch das war nicht seine Aufgabe. Er war hier, hatte mitgekämpft in den zermürbenden Grabenschlachten, weil er die beschützen sollte, deren Leben noch weniger zählte als das der Menschen. Die Pferde. Es war ihm nicht gelungen. Tausende, Millionen hatten ihr Leben lassen müssen. Vergast, von Maschinengewehrfeuer, Stacheldraht und Granaten zerfetzt, verhungert, an Erschöpfung gestorben. Für die Menschen waren sie nur Material gewesen, das sie beliebig in die Schlacht werfen konnten. So wie diese auch für ihre Führer nur Material gewesen waren.
Oh, er hatte schon viele Kriege gesehen, hatte viele Namen getragen. Mitgekämpft in Schlachten, in denen Pferde eingesetzt und hingemetzelt wurden. Immer und immer wieder hatte er in so vielen Zeitaltern Zeichen gesetzt. Den Menschen versucht, die Augen zu öffnen, für die Anmut, Schönheit und Kraft dieser Tiere. Dass sie mehr waren als nur Fleisch, das man essen konnte. Mehr als ein Reittier, auf dem man die Welt erobern konnte. Wo wären die Menschen denn heute ohne die Pferde? Und wie dankten sie es ihnen?
Er hielt inne, als ein schrecklicher Laut seine scharfen Ohren erreichte, halb Stöhnen, halb Seufzer, ausgestoßen von einer Kehle, die keine Worte formen konnte. Er verstand es trotzdem. Mit wehem Herzen, weil er wusste, was er vorfinden würde, machte er sich auf den Weg in die Richtung, aus der der Laut gekommen war. Stolpernd bewegte er sich vorwärts, ihm hatte dieser Krieg ebenfalls alles abverlangt. Nicht als Soldat, sondern als Tierarzt hatte er sich diesmal verdingt, um das Leiden seiner Schützlinge zu lindern. Auch das war ihm nur in geringem Maße gelungen …
Mit dem Fuß blieb er in den Resten von Stacheldraht hängen, wäre beinahe gestürzt. Vorsichtig zupfte er den Draht von seinem Knöchel, als sein Blick auf einen Krater einige Meter vor ihm fiel. »Oh ihr Götter!« Er vergaß den Draht, hinkte los und ließ sich neben dem Körper eines Pferdes auf die Knie fallen. Ein hübscher Kastanienbrauner, dessen dunkle Augen bereits trüb wurden. Wie durch ein Wunder lebte das Tier noch. Die plüschigen Ohren zuckten, als er sanft mit der Hand über den Hals strich. Rasch musterte er das Pferd, seufzte dann resigniert und erschüttert. Nein, hier kam jede Hilfe zu spät. Die gesamte Flanke war eine einzige schwärende Wunde, Granatsplitter hatten Fleisch und Muskeln völlig zerfetzt. Blut besprenkelte das Fell darum herum, bildete eine Lache unter dem Bauch.
»Es tut mir leid«, murmelte er mit tränenfeuchten Augen. Alles, was ihm noch blieb, war, diesem Pferd das Sterben zu erleichtern. Mit beiden Händen strich er nun rhythmisch über das von Blut, Dreck und Schweiß verklebte Fell und begann, leise zu singen. Worte einer melodischen fremden Sprache drangen über seine Lippen, stiegen zum bleigrauen Himmel auf. Um ihn herum duftete es mit einem Mal nach weiten Grasebenen, lichten Wäldern und dem klaren Wasser munterer Bäche, überdeckte den grauenhaften Gestank von Verwesung und Tod.
Über dem sterbenden Pferd begann die Luft zu golden zu flimmern. Verdichtete sich zu dem Abbild des Tieres. Jung, schön und stark. Keine Verletzung war mehr zu sehen. Wiehernd erhob es sich auf die Hinterbeine, schenkte seinem Helfer einen dankbaren Blick, bevor es davon stob. Das Lied verklang, die Todesstille des Schlachtfeldes übernahm erneut die Regie. Die Augen des Pferdes sahen starr ins Nichts. Ein letztes Opfer dieser Schlacht.
Er erhob sich mühsam, stand einige Sekunden schwankend da. Seine Aufgabe war erfüllt. Hier gab es nichts mehr für ihn zu tun. Sein Herz war müde, seine Seele tief verletzt, sein Geist befand sich in Agonie. Inständig hoffte er, dass die Götter ihn für eine lange Zeit verschonen würden, seine Prüfungen endlich ein Ende fanden. Wie lange schon musste er für einen Fehler büßen, den er vor so langer Zeit begangen hatte? Wann war es genug?
Keine Buße, Tartok.
»Ach nein?« Er lachte bitter auf, als die Stimme einer Wesenheit erklang, die sehr viel älter war als er. »Als was soll ich denn das hier bezeichnen?« Mit der Hand vollführte er eine Geste, die das Schlachtfeld umfasste.
Die Fehler der Menschen sind nicht deinen.
»Warum bin ich dann hier?«
Höre zu und lerne, Krieger der Pferde. Lass dich von deinem Hass nicht blenden.
»Wie kann man die Menschen noch mögen, nach all diesem hier?« Und nach all dem, was sie ihm damals angetan hatten? Ausgestoßen. Verraten. Gehetzt wie ein wildes Tier. Getötet.
Dein Herz wird dir den Weg zeigen. Finde den, der deine Seele ergänzt.
Tartok seufzte. Warum die Götter und Göttinnen immer derart kryptisch daher schwafelten, erschloss sich ihm nicht. Er jedenfalls wollte mit den Menschen nichts mehr zu tun haben. Sein Herz brauchte Ruhe. Dringend. Keine erneuten Komplikationen. Schon gar nicht in Sache Liebe. Die hatte ihm bisher nur Unheil gebracht. Und den Tod. Er straffte sich, schritt entschlossen davon, ohne noch einen Blick zurückzuwerfen. Während er ging, flimmerte die Luft um ihn herum, verdichtete sich. Golden funkelte es, als ein Sonnenstrahl durch eine Lücke in der Wolkendecke drang. Und plötzlich war es kein erschöpfter Mann in schmutziger abgerissener Uniform mehr, der über das Schlachtfeld lief.
Ein riesiges Pferd trabte stolz davon, mit wehender prachtvoller Mähne, das dunkle Fell glänzte im Licht. Kurz blieb es stehen, stampfte mit den Vorderhufen auf. Sein lautes Wiehern scholl wie ein Warnruf über die Stätte des Krieges. Das goldene Flimmern verstärkte sich, die Gestalt des Pferdes verschwamm, mischte sich mit einer warmen kräftigen Böe – und verschwand. Zurück blieb der Tod.

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