Geduld ist eine Tugend. Oder so. Um die bitte ich euch, weil sich mein derzeitiges Projekt »Saschas Tanz« verzögert. Meine Gesundheit schlägt im Verein mit Depressionen lustige Kapriolen und knockt mich zeitweise komplett aus. Schon alltägliche Dinge, wie aufstehen, sich anziehen, essen etc. fühlen sich an als wollte ich den Mount Everest besteigen. Ist richtig blöd. Dazu kommen noch Dauerschmerzen. Dafür lasse ich wenigstes einen Auszug aus dem Projekt da, als kleinen Aperitif und ja, auch diese Kurzgeschichte wird umfangreicher als geplant. Derzeitiger Stand: 14 Kapitel und 20,089 Wörter.
Auszug Kapitel 1
»Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder?« Ich kann nicht glauben, was Ben Thenaus, der Besitzer dieses Tanzstudios, mir soeben erzählt hat.
»Leider doch.« Ben ist es sichtlich unangenehm. »Elena fühlte sich nicht … äh … wohl damit …«
»Mit einem schwulen Mann zu tanzen?«
Ben nickt betreten. »Es tut mir wirklich sehr leid, Sascha. Du weißt, dass mir egal ist, welche sexuellen Vorlieben oder Orientierungen ihr habt, mir geht es rein ums Tanzen. Ich habe mich bemüht, Elena ihren Wechsel zum anderen Team auszureden, vor allem so kurz vor dem nächsten Turnier, aber sie hat sich nicht davon abbringen lassen.«
»Das heißt also, dass für mich der nächste Wettbewerb ins Wasser fällt.« Super, das ganze harte Training ist umsonst gewesen. Oh, und Heiko, meine Nemesis in unserem Team, wird das zum Anlass nehmen, seine homofeindlichen Sprüche zum Besten zu geben.
»Noch nicht ganz.« Ben lächelt mich an. »Ich bin da an einem vielversprechenden Talent dran. Er ist zwar kein Profi, aber …«
»Moment … er?«
»Ja. Lyonel Saintil. Er stammt aus Haiti, ist als Kind nach Deutschland gekommen und hat schon früh mit dem Tanzen begonnen. Da weder er noch seine Eltern die nötigen Mittel aufbringen können, um ihm eine professionelle Karriere zu finanzieren, tanzt er nur in seiner Freizeit und arbeitet als Servicekraft in einem Restaurant.«
»Also, ich weiß nicht so recht«, murmele ich unschlüssig. Sicher, im Tanzsport sind gleichgeschlechtliche Paare nicht nur akzeptiert, sondern auch extrem erfolgreich. Die Frage ist, ob die Mitglieder unseres Teams aufgeschlossen genug dafür sind. Heiko definitiv nicht.
»Ist Lyonels Hautfarbe und Herkunft für dich ein Problem?«
»Himmel, nein! Für mich nicht.« Ich betone die Worte und Ben weiß sofort, was ich andeuten will.
»Heiko, hm?« Er lässt seinen Blick wandern, bis er Heiko, der sich gerade aufwärmt, findet. »Mach dir da mal keinen Kopf, Sascha. Die Regeln in diesem Tanzstudio bestimme ich. Heiko hat sich daran zu halten, sonst fliegt er aus dem Team. Ich denke nicht, dass er das riskieren will.«
Da bin ich mir nicht so sicher. Okay, Heiko ist wahnsinnig ehrgeizig, trainiert am härtesten von uns allen, aber genügt das, um ihn im Zaum zu halten? Ich kann ihn nicht wirklich gut einschätzen, da er eher verschlossen ist und sich auch kaum an unseren Zusammenkünften oder After Partys beteiligt. Heiko hat eher den Ruf eines Sonderlings. Na schön, um ehrlich zu sein habe ich den auch. Ich musste schon sehr früh lernen, auf eigenen Füßen zu stehen. Meine Kindheit ist geprägt gewesen von Gewalt und Armut – mein Körper zeigt bis heute deutliche Spuren davon – weswegen ich dazu neige, Menschen nicht wirklich zu vertrauen. Ich funktioniere am besten als Einzelkämpfer. Gut möglich, dass auch Heiko ähnliche Erfahrungen hat machen müssen. Das ist jedoch keine Entschuldigung dafür, sich wie ein Arschloch aufzuführen. Meine Gedanken kehren zurück zu Bens Ansage und meinen zukünftigen Tanzpartner. »Keine Sorge, Lyonel wird von uns nicht allein gelassen.«
»Das wollte ich hören.«